Fernbeziehungen in der Antike waren keineswegs die Freizeitbeschäftigung von ein paar Abenteurern, sondern eine wirtschaftliche Notwendigkeit. Von der Bronzezeit bis zum Ende der Eisenzeit wurde in großen Mengen Bronze verarbeitet, zu Ess- und Trinkgeschirr, aber auch, vor allem im Mittelmeergebiet, zu Helmen, Beinschienen und Brustpanzern. Das für die Bronzeherstellung notwendige Kupfer ließ sich an verschiedenen Orten in ganz Europa gewinnen. Nennenswerte Zinnvorkommen gab es jedoch nur in der Bretagne und Cornwall [1].
Das bedeutet, dass alles Zinn, das in Italien oder Griechenland verarbeitet wurde, quer durch
Mitteleuropa transportiert werden musste.
In der 1. Hälfte des 6. Jh. war der
Handel mit dem Zinn zwischen Cornwall und Etrurien auf der Route Rhone – Saône – Loire/ Seine abgewickelt worden, wahrscheinlich organisiert von Händlern aus der griechischen Kolonie Massalia
(Marseille) [2]. Nach kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen Etruskern und Massalia kam jedoch kein Zinn mehr durch das Rhonetal nach Etrurien.
Wie die Funde von griechischer Importkeramik auf dem Ipf und in seiner Umgebung (Osterholz, Ohrenberg) zeigen, war der Ipf spätestens seit der 2. Hälfte des 6. Jh. in ein weitgespanntes Fernverkehrsnetz eingebunden.
Grund dafür war wohl einerseits die günstige Topografie des Nördlinger Rieses, das eine relativ ebene Durchquerung der Schwäbischen Alb erlaubt und andererseits eine Verlagerung der Fernverkehrswege die von Etrurien ausgingen.
Denn seit Mitte des 6. Jh. v. Chr. erschlossen sich die etruskischen Händler eine neue Route, die von der Poebene direkt nach Norden über die Alpen führte [3].
Almuth Bick beschreibt in ihrer Dissertation „Die Latènezeit im Nördlinger Ries“ die kulturellen Fernbezüge des Ries- Raumes. Für die Frühlatènezeit belegt sie die Anbindung des Rieses an den Fernverkehr nach Süden über die Route Lechtal - Fernpass - Reschenpass - Etschtal bis Bologna [4]. Zeuge dafür sind unter anderem Certosafibeln aus einem Grabfund bei Maihingen. Dieser Typ von Fibel stammt aus einer Werkstatt in Norditalien und findet sich zwischen Bologna und Maihingen entlang der genannten Route.
Keramikfunde zeigen durch typische frühlatènezeitliche Stempelverzierung eine starke kulturelle Verbundenheit des Rieses mit Nordostbayern und Westböhmen [5]. Stempelverzierte Keramik ist in Baden- Würtemberg relativ selten. Verfolgt man deren Verbreitung weiter, zeigt sich eine Konzentration im unteren Taubertal und am unteren Neckar [6].
Hier legt sich einerseits eine Verbindung vom Ries durch das Remstal an den Neckar nahe, andererseits eine Verbindung über Jagst- und Taubertal zum Main.
Und die geriefte Drehscheibenkeramik, die am Ipf gefunden wurde, verweist auf Beziehungen zur Heuneburg [7].
Das Ries erscheint so als Drehscheibe des Fernverkehrs nach Italien.
Wie die Qualität der Funde zeigt, lag der Knotenpunkt der Verkehrsverbindungen im Westries beim Ipf.
[1] Zum Fernverkehr zwischen dem 9. und 5. Jh. v. Chr. siehe S.Rieckhoff / J. Biel, Die Kelten in Deutschland, Stuttgart 2001, S. 40- 57.
[2] Rieckhoff/ Biel, Kelten, S. 41-43.
[3] Rieckhoff/ Biel, Kelten, S. 51-54.
[4] Bick, Almut: Die Latènezeit im Nördlinger Ries. Bayerisches Landesamt für Denkmalpflege, Abteilung Bodendenkmalpflege, Materialhefte zur bayerischen Vorgeschichte: Reihe A, Fundinventare und Ausgrabungsbefunde, 2007, 230f.
[5] Bick, Latènezeit, 229f.
[6] F.Klein, Siedlungsfunde der ausgehenden Späthallstatt- und frühen Latènezeit aus Württemberg, Diss. 2004, S.149, vgl. Abb. 53 (die Arbeit ist online zugänglich) .
[7] Bick, Latènezeit, 232.